
25 Jahre cyber-Wear
25 Jahre cyber-Wear. Anlass genug, um ein wenig in der Vergangenheit zu schwelgen und Meilensteine aus diesen 25 Jahren zu erzählen, die Teil unserer Geschichte sind:
01) Wie alles begann...
Wie alles begann oder wie manch einer sich fragt, “Wie kommt man darauf, Kugelschreiber zu verkaufen?”.
Eigentlich wollte ich es partout verhindern, die Geschichten mit “Es war einmal” zu erzählen. Aber, was soll’s, jedes gute Märchen beginnt nun mal so und nun also auch unser cyber-Märchen: 25 Jahre märchenhafte Entwicklung.
Es war an einem nasskalten Mittwochmorgen irgendwann im Jahr 1992 im September. Einer dieser Morgen, an dem es in unserem Alter nur zwei Typen Mensch gab: Die, die froh waren, dass die großen Ferien und die große Langeweile vorbei waren, und die, die es nicht abwarten konnten, dass der erste Schultag schnell wieder vorbei ist. Ich gehörte eher zur zweiten Gruppe. Denn immerhin war das Wetter noch gut genug, um Tennis spielen zu gehen. Egal wie, es war gefühlt schlechtes Septemberwetter, meine Erinnerung mag aber auch falsch sein und es war eigentlich bestes Sommerwetter. Wir saßen in unserem Klassenzimmer für das kommende Jahr, die 9. Klasse, und erwarteten gespannt unseren neuen Klassenlehrer, der traditionell auch immer die Neuen im Schlepptau hatte. Kaum hatte sich der Kampf um die letzte Reihe gelegt, ging die Tür auf und der Neue kam rein. Nein, der Klassenlehrer war noch derselbe, der Neue war ein neuer Mitschüler und mein erster Gedanke “bitte nicht DER” und mein zweiter Gedanke war “Mist, neben mir ist noch ein Platz frei”. Der Neue war der große Bruder einer Mitschülerin aus der Parallelklasse und einer, der auch in der Hockey-Mannschaft der Schule war. Einer von den älteren und cooleren, die uns beim Training immer leicht abfällig behandelten.
Okay, dachte ich mir, da hat es wohl nicht gereicht im letzten Schuljahr. Und zack, saß der ätzende Typ neben mir und die Geschichte nahm ihren Lauf. Warum auch immer, und das können sich weder Roman noch ich mir bis heute erklären, wurde aus Ignoranz (um es mal nett auszudrücken) eine Freundschaft, aus Freundschaft blindes Vertrauen und letztlich die Basis von cyber-Wear. Seit diesem ersten Tag gibt es so gut wie keinen Tag, an dem wir nicht in irgendeiner Form miteinander kommunizieren.
02) Der Deal mit unserer Deutsch Lehrerin
Wir waren beide ziemlich gut in Deutsch und hierbei spreche ich auf keinen Fall von Grammatik - das war weder Romans noch meine Stärke. Aber Interpretieren und Argumentieren konnten wir wie die Großen. Mit unserer Deutschlehrerin haben wir eine Art Deal ausgehandelt, der besagte, “Solange ihr gute Noten schreibt und hinten in der letzten Reihe die Klappe haltet und niemanden stört, dürft ihr machen was ihr wollt”. Und so sollte es sein.
Wir saßen in der letzten Reihe, es war die Hochphase von Chiemsee-Klamotten und großen, lauten Drucken. Zwischen Roman und mir saß ein weiterer Mitschüler und Freund, der gut zeichnen konnte, und rechts von uns ein weiterer Mitschüler mit türkischen Wurzeln. Und so kam es, dass wir anfingen zu spinnen und unsere eigene Modemarke entwickeln wollten. In Anlehnung an Chiemsee wurde nach langem hin und her das erste Motiv geboren und die Marke nach einem türkischen See kurzerhand Vangölu benannt. Hiervon druckten wir uns dann eine Handvoll T-Shirts, gerade so viele wie unser Taschengeld hergab, und versuchten diese an Mitschüler zu verkaufen. Das Interesse und der Erfolg dabei waren - na ja, nennen wir es mal beim Namen… eher wenig bis gar nicht vorhanden.
Aber die Idee war da und wir wussten, irgendwas mit Textilien ist cool. So tüftelten wir weiter, entwickelten neue Motive in skurrilsten Versionen und priesen diese tapfer jedem, aber auch wirklich jedem an: Mitschülern, Lehrern, Familie, Freunden, etc. In unserer Euphorie träumten wir schon zu dieser Zeit vom großen Erfolg, der jedoch noch etwas länger auf sich warten ließ. Aber eines stand schon zu diesem Zeitpunkt fest, der Marken- und spätere Firmenname “cyber“. Zu diesem Zeitpunkt noch ohne das Wear, aber dazu später mehr. Ein erster kleiner Erfolg war dann in der Tat ein Auftrag über 100 T-Shirts, die wir mit einem befreundeten Hip-Hopper aus Heidelberg entwickelten und druckten, so dass Roman diese auf einem Hip-Hop Contest verkaufen konnte.
Aus dieser Idee heraus kam uns dann der Gedanke, unseren älteren Mitschülern der 13. Klasse Abi T-Shirts und alles rund um das Thema Abitur zu verkaufen. Die zweite Geschäftsidee war geboren, wir entwickelten Abi-Logos, produzierten T-Shirts, Sweater und gefühlt alles, was man bedrucken konnte. Mit den Ergebnissen fuhren wir per Straßenbahn oder dem Fahrrad von Schule zu Schule und boten unsere Dienste an. Das funktionierte erstaunlicher Weise wirklich gut. Da es gleichzeitig aber auch ein sehr temporäres Saisongeschäft war, mussten wir uns überlegen, was wir in den restlichen Monaten wem auch immer anbieten konnten.
Und so mussten als nächstes Bekannte unserer Eltern herhalten, ob Inhaber eines Gas- und Wasser- Installationsbetriebes oder einer Versicherungsvertretung, lokale Vereine, Bauunternehmen und andere: Wir entwickelten Logos und druckten Mitarbeiter T-Shirts, Trikots etc. mit gerade einmal fünf Mann.
03) Alles cyber
Da wir schon immer sehr gewissenhaft an alle Themen herangingen, war in dem Zuge auch die Zeit gekommen, unser Gewerbe anzumelden. Nachdem uns Romans Vater netterweise erklärt hatte, wo und wie man das machen kann, fuhren wir mit unseren Mountainbikes zum Amt und erklärten der Dame vom Amt, was wir vorhatten.
Die Beamtin war zu Beginn sichtlich und im Laufe des Gesprächs immer stärker irritiert. Also saßen wir beiden Jungs, einer 18 und der andere noch 17, im Gewerbeamt und füllten irgendwelche Formulare aus. Als es dann um den Firmennamen ging, schauten wir sie freudestrahlend an und antworten einhellig und wie aus der Pistole geschossen „Cyber“. Sie schaute uns an und sagte nur, „Das geht nicht, was soll das denn bitte sein?“. Wir versuchten ihr zu erklären, dass aktuell alles Cyber ist – Cyber Space, Cyber Future, einfach alles Cyber und wir eben auch. Sie meinte nochmal, „Das geht nicht!“. In einem Firmennamen müsste stehen, was man für einen Unternehmenszweck hat. Sie schlug uns dann so etwas wie Weiss und Baumgaertner Textilhandel vor.
Nach gefühlten 100 Vorschlägen und ebenso vielen Verneinungen unsererseits starteten wir einen letzten Versuch und schlugen zaghaft „cyber-Wear“ vor. Sie - mittlerweile auch völlig entnervt - stimmte zu und trug diesen Namen dann letztlich ein. cyber-Wear war geboren – fast.
Die Unterschriften fehlten noch und die Dame verlangte unsere Ausweise. Nur um festzustellen, dass ich mit meinen 17 Jahren noch gar keine Firma gründen durfte. So kam es, dass Roman letztlich cyber-Wear allein gründete. Uns war es egal, wir waren glücklich und zufrieden, hatten unsere Firma angemeldet und konnten jetzt richtig durchstarten.
04) Unser erster Mitarbeiter und unser erstes Büro zur Miete
Unsere Firmengeschichte ist geprägt von vielen Freunden, die uns halfen, teilweise auch früher oder später in irgendeiner Position bei uns arbeiteten. So auch unser erster Mitarbeiter. Ein ehemaliger Schulfreund, mit dem weder Roman noch ich während der Schulzeit viele Worte gewechselt hatten.
Besagter Schulfreund stand kurz nach unserem Abitur abends vor dem Kino neben mir und so kamen wir ins Gespräch, was der jeweils andere so macht und ob cyber-Wear schon zum Imperium herangereift sei. Nach dem Kino verabredeten wir uns noch auf einen Döner in der Dönerbude um die Ecke und beschlossen dort bei Döner und Dosen-Cola, dass es eine richtig gute Idee sei, dass er ab morgen bei uns anfängt. Einzige Bedingungen waren, dass er einen Schreibtischstuhl und seinen eigenen Computer mitbringt und kein Gehalt bekommt.
Er stimmte zu und kam Montag darauf in unser neues Büro, wo Roman und ich am Wochenende zuvor noch stolz bei IKEA Schreibtischplatten für eine Mark aus der Fundgrube gekauft und das ganze Wochenende Schreibtische und Schränke aufgebaut hatten. Mit einem alten Schreibtischstuhl, geklebt mit braunem Paketband, und eigenem Computer im Schlepptau hatte eigentlich keiner eine so richtig gute Idee, was der neue Mitarbeiter nun bei uns machen und vor allem wie er was machen sollte. Egal, er fing an und telefonierte Deutschland einmal von Norden nach Süden und einmal von Osten nach Westen durch und versprach das Blaue vom Himmel und es funktionierte.
Wir bekamen Aufträge und wir erfüllten sie, wir sagten zu und wir lieferten. Jeden einzelnen Auftrag, so absurd er auch nur war. Wir druckten 20.000 weiße T-Shirts für einen Pharmakonzern. Auch diesen Job erledigten wir wieder mit Freunden und Bekannten und bezahlt wurden sie mit einer üppigen Grillparty zu Romans Geburtstag und Mama Weiß‘s berühmtem Hackbraten. Während der eine Teil im Garten feierte, druckte der andere Teil im Keller und umgekehrt.
Dieser erste Mitarbeiter blieb viele, viele Jahre – auch irgendwann mit Gehalt – und ihm gilt großer Dank. Ohne ihn wären wir heute nicht da, wo wir eben sind. Das Schöne dabei ist abschließend wiederum: Er hat cyber-Wear verlassen, um in England zu studieren und letztlich nach ein paar beruflichen Stationen heute wieder als Kunde bei uns zu landen – wir sagen DANKE! Danke für deinen Einsatz, Danke für die tollen Kunden und Projekte, Danke für die vielen schlaflosen Nächte und Danke für den gemeinsamen Weg, den wir jahrelang gemeinsam gegangen sind.
05) Die lieben Autos
Wir haben irgendwann aufgehört zu zählen und uns einfach unserem Schicksal ergeben. Es waren auf jeden Fall unzählige Außenspiegel, ein Motorschaden, verlorengegangene Abdeckungen, defekte Sitze und noch vieles mehr. Und das alles nur auf dem Konto eines einzigen Mitarbeiters.
Wir waren stolz wie Oskar, endlich unseren ersten eigenen Firmenwagen zu besitzen. Gemeinsam konfigurierten wir vor und zurück, rechneten und kalkulierten, was wir uns wohl leisten können. Am Ende wurde es ein VW BORA Kombi, ein Zwischending zwischen Golf und Passat. Nett ausgestattet und sogar damals schon mit völlig überteuertem Navigationssystem. Luxus pur, aber für Termine ein Segen.
Kaum hatten wir das Auto abgeholt und stolz zuhause präsentiert, ging es auch schon auf große Reise. Unser Mitarbeiter hatte einen Termin irgendwo im Odenwald und durfte mit dem neuen Firmenwagen zum Termin fahren. Wenige Stunden später kam er um zwei - sprich beide! - Außenspiegel erleichtert wieder im Büro an. Angeblich, weil die Traktoren auf dem Land so mittig fahren. Wir haben nicht weiter thematisiert, welcher Traktor es denn auf der Beifahrerseite war. Hätten wir zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, welches Ausmaß das mit den Seitenspiegeln annehmen würde, hätten wir eine Zehnerkarte bei VW gezogen und die Spiegel auf Vorrat bestellt.
Kurzum - es folgten Außenspiegel, fehlende Kofferraumabdeckungen, kaputte Teile gefühlt am ganzen Auto und noch vieles mehr. Zwei erzählenswerte Highlights gab es noch als Zugabe: Der Mitarbeiter fuhr recht früh am Morgen zu einem Kundentermin im Sauerland. Circa 30 Minuten nach eigentlichem Terminbeginn rief der zuständige Einkäufer bei uns im Büro an, um zu fragen, wann denn unser Kollege käme. Nach fieberhaften Anrufversuchen und gefühlten Stunden später meldete er sich dann aus einem Autohaus, irgendwo auf halber Strecke gelegen, und berichtete von einem kolossalen Motorplatzer.
Dank des ADAC wurde er direkt zum Werk gebracht. Kaum war die Motorhaube geöffnet und der ADAC-Techniker hatte sich über den Motor gebeugt, schoss in Raketengeschwindigkeit der Ölmessstab nur wenige Zentimeter an seinem Kopf vorbei und landete ein paar hundert Meter weiter auf dem Parkplatz. Der gelbe Engel war von oben bis unten voll mit Öl und der Motor hinüber - Das war ein teurer Termin.
Das zweite Mal - und das habe ich genau 20 Jahre später erst beiläufig erzählt bekommen - waren zwei unserer Mitarbeiter auf dem Heimweg von einem US Army Volksfest in Heidelberg-Eppelheim und wollten, warum auch immer, wohl clever sein und über einen Feldweg abkürzen. Das Ende vom Lied war, dass das Auto mit einem Traktor aus dem Feld gezogen werden musste.
Dieser Mitarbeiter schaffte es auch, binnen weniger Wochen gleich zwei nagelneue Jaguar total zu Schrott zu fahren. Den ersten kaufte er sich von seinem ersten Big Deal, welchen er sich auch redlich verdient hatte. Er holte ihn freitags ab, kam damit in unser neues Büro nach Wieblingen, präsentierte ihn Roman mit Stolz im Hof und rauschte damit in den Feierabend. Wir schauten ihm noch bewundernd hinterher und ich sagte nur zu Roman, „Der kommt Montag mit der Bahn“ - und so war es auch. Er schaffte einen zweimaligen Totalschaden binnen weniger Tage.
Last but not least übte auch dieser Mitarbeiter sich auf dem Weg zurück von Köln als Rammbock. Es war Januar, schon dunkel und der Kollege auf der linken Spur im Tiefflug auf dem Weg nach Hause, als auf einmal ein Tannenbaum auf der Fahrbahn lag, über den er mit dem Mietwagen senste. Er schaute in den Rückspiegel, sah nichts weiter und gab wieder ordentlich Gas . Über mehrere Kilometer hinweg wunderte er sich, wieso ihm jeder, egal ob vor ihm fahrend und Platz machend, ob neben ihm oder hinter ihm fahrend, auf einmal Lichthupe gab.
Nach reiflicher Überlegung fuhr er auf einen Rastplatz, stieg aus und entdeckte des Rätsels Lösung. Der Tannenbaum steckte wie eine Speerspitze oder eben ein Rammbock mit der Spitze nach vorne und dem Stamm im Kühlergrill und ragte so gute zwei Meter aus dem Auto heraus. Der Mitarbeiter zerrte den Baum aus dem Kühlergrill, bog die Lamellen wieder einigermaßen gerade, gab den Wagen am nächsten Tag bei der Autovermietung ab und gut war‘s.
06) Einmal Shanghai und zurück bitte
Es war kurz vor Weihnachten, alle verfielen so langsam aber sicher in den Endjahreswahnsinn, überall wurden noch Budgets gefunden und das Geld musste weg. So auch bei einem unserer wirklich langjährigen Kunden, Weltmarktführer im Bereich Kopfhörer und Mikrofone. Hier sollten es als Dank für ein erfolgreiches Geschäftsjahr für alle Mitarbeiter tolle, individuelle Winterjacken werden. Eigentlich schon alles viel zu spät, aber naja, „geht nicht, gibt’s halt einfach nicht“. Also machten wir Designs, stimmten Materialität, Logoplatzierung sowie Umsetzung ab und platzierten den Auftrag in China bei einem guten und zuverlässigen Partner etwas außerhalb von Shanghai.
Die ersten Lapdips, sprich Materialabschläge in Wunschfarbe, sowie Stickproben kamen und alles lief reibungslos. Bis circa zwei Wochen vor Lieferung auf einmal alles schief zu laufen begann, was hätte schieflaufen können, Stromausfall wegen Unwetter und so weiter. Die finalen Muster konnten auf jeden Fall nicht fertiggestellt werden und so mussten wir entscheiden: Risiko und Ware auf den Flieger, ohne zuvor eine einzige fertige Jacke gesehen zu haben oder aber Endkontrolle in China. Wir entschieden uns für Zweiteres.
So kam es, dass ich am nächsten Tag in einer Turkish Airlines Maschine auf dem Weg nach Istanbul saß, von dort ging es nach Peking und dann weiter nach Shanghai. Dort am späten Nachmittag angekommen, weiter ins Hotel, ins Bett, am nächsten Morgen auschecken und in die Produktion - 100 % Kontrolle und zum Glück Freigabe der gesamten Ware - Mittagessen und wieder zurück zum Flughafen.
Letztlich 48 Stunden später wieder in Frankfurt gelandet, ging es dann direkt auf unsere Weihnachtsfeier im Odenwald, wo wir in einer kleinen Hütte mit dem gesamten Team, ja, da passten noch alle in eine kleine Hütte, bei Raclette das Jahr und uns feierten. Ich bin dann angeblich am Tisch eingeschlafen, woran ich mich aber beim besten Willen nicht erinnern kann. Ganz nebenbei war dieser Trip mein erster nach China, aber natürlich lange nicht mein letzter. Die Jacken kamen dann die Woche darauf an, wurden ausgeliefert, der Kunde war glücklich und zufrieden und wir hatten mal wieder bewiesen „geht nicht, gibt’s nicht“ - Danke Team!
07) Hongkong forever
Die ersten Reisen nach Hongkong waren weniger Pflicht als vielmehr Belohnung und Ausgleich für unsere vielen Stunden, die wir neben Ausbildung und Studium in cyber-Wear steckten. Sie waren die Chance, das Nützliche mit dem Schönen zu verbinden und Ziele zu bereisen, von denen wir niemals geträumt hätten, dort jemals Geschäfte zu machen.
So auch Hongkong. Das erste Mal flogen wir zur Werbemittel-Messe im April nach Hongkong und sammelten Kataloge ein wie die Verrückten. Am Ende waren es zwei Taschen voll mit jeweils um die 30 Kilo Papier. Das schleppten wir zurück nach Deutschland, wo es wahrscheinlich noch heute im Archiv liegt. Diese Reise wiederholten wir zwei- bis dreimal, bis uns der Vertriebsleiter eines deutschen Lieferanten anrief und fragte, ob wir denn nicht auch mal mehr über Hongkong machen wollten. Sein Chef wäre auch regelmäßig in Hongkong und man könne sich ja mal treffen. Gesagt, getan! Im April verabredeten wir uns in Hongkong mit besagtem Chef zum Lunch im Hyatt, direkt am Convention Center und quasi Teil der Messe.
Wir machten also unsere Messerunde und bewegten uns zur Lunch-Time langsam Richtung Hyatt - nichts ahnender Weise, wer und was uns da erwartet. Wir kamen in diese riesige Lobby, hatten keine Ahnung, wo der Lunch stattfindet, und wie unser Gegenüber überhaupt aussieht. Letztlich trafen wir auf zwei überaus nette Menschen, die, wie sich später herausstellte, komplett irritiert waren, als sie uns sahen, da sie uns als deutlich älter eingestuft hatten, und stattdessen nun zwei so Greenhorns auftauchten.
Der Lunch war entspannt und wir hatten auf Anhieb gute Ansätze. Heute, viele Jahre und viele Projekte später, schätzen wir uns noch immer als Geschäftspartner und respektieren die Meinung des anderen. Auch wenn die eigene manchmal anders sein mag, schätzen wir uns aber vor allem als Menschen und schaffen es, neben professionellem Umgang im Business auch Freunde zu sein. Selten genug und umso wichtiger ist es, solche Freundschaften zu wahren und zu pflegen.
Mittlerweile ist Hongkong eine Art zweites Zuhause und ich bin, wenn alles nach Plan läuft, mehrmals im Jahr dort. Hongkong ist eine Stadt, die einen in den Bann zieht oder völlig abstößt - dazwischen gibt es nicht viel. Love it or hate it. Romans zweite Heimat Miami hingegen liegt einmal genau in die andere Richtung und nicht selten genug skypen wir quer über die Welt und mit 12 Stunden Zeitunterschied - er bei Kunden oder im Office in den USA und ich in Hongkong oder im tiefsten China.
08) Der Ursprung der Cybergroup
Wie sind wir eigentlich auf die Cybergroup gekommen? Die Antwort ist ziemlich banal. Vielleicht ist der Größenwahn in uns gefahren oder wir wollten mal eben Formel 1 Sponsor werden und da musste was Großes, eine „Group“ her. Im Nachgang betrachtet ist der Ursprung der Cybergroup einer Vielzahl von Zufällen zu verdanken.
Recht früh lernten wir einen Schweizer Herren kennen, mit dem wir prompt das erste Meeting in einem Freiburger Hotel nahe dem Bahnhof vereinbarten. Besagter Herr wollte für uns vor Ort in der Schweiz ein Business aufbauen. Also fuhren Roman und ich nach Freiburg, zu dem Meeting und schneller als wir gucken konnten war das Büro in der Schweiz abgemachte Sache. Los ging es, Termine, Termine und nochmals Termine. Alles parallel zum dualen Studium. Wir besuchten die Schweizer Post, Credit Suisse, die Swiss Telecom, USB und noch viele mehr.
Unser Partner in der Schweiz war einer von der alten Riege der Textilindustrie und parallel noch Vertreter für ein holländisches Unternehmen, welches auf die Entwicklung und Produktion von Textillabels in jeglichen Formen und Materialität spezialisiert war. Damit hatten wir in diesem Unternehmen einen Partner gefunden, mit dem wir große Pläne schmiedeten. Last but not least gab es dann noch ein kleines Designteam zwei Dörfer weiter in den Niederlanden, welches wiederum eng mit besagten Labelspezialisten zusammenarbeitete. Deren Expertise nutzen wir schließlich für diverse Kunden und entwickelten gemeinsam alle Kollektionen.So entstand unter anderem auch unsere erste, richtige Corporate Fashion Kollektion für Media Markt, welche wir eine ganze Zeit lang Deutschlandweit vertrieben.
Eines Tages war es so weit – unser Partner aus der Schweiz rief an und hatte den ganz großen Deal an der Angel – schneller, höher, weiter = Formel 1. Er hatte, wie auch immer er das geschafft hatte, einen Termin bei dem damaligen Formel 1 Rennstall Sauber Petronas F1 ergattert. Wir waren uns sofort einig, das ist DIE Chance! Merchandise in der Königsliga, weltweite Aufmerksamkeit. Ruhm und Ehre waren greifbar. Also legten wir los und entwickelten nächtelang Konzepte, Kollektionen und Produkte. Von Teamwear über Merchandise bis hin zu klassischen Werbemitteln. Nach wochen- und nächtelangen Vorbereitungen kam dann endlich der Tag der Tage, andem wir das Intro und die Präsentation übernahmen. Sie der Anfang von vielen, langen Gesprächen rund um das Thema Merchandising, Abläufe, Verantwortlichkeiten.
Als wir schließlich an den Punkt der Finanzierung kamen wurde recht schnell klar, dass ein Formel 1 Rennstall nicht beabsichtigte, für Teamwear und Merchandising Geld in die Hand zu nehmen. Also lief alles auf eine Art Barter Deal hinaus. Außenspiegel im Gegenwert von 1.000.000 US-Dollar gegen kostenfreie Teamwear, einen Shop und ein komplettes Merchandising auf eigenes Risiko. Und siehe da – die Cybergroup, die drei C’s und ein ganzes Corporate Design Konzept waren geboren. Was ist letztlich geblieben? Die Cybergroup, das C und der Erfolg. Die Verhandlungen fanden ein jähes Ende, was nüchtern betrachtet wohl auch besser so war. Es hätte uns zu dieser Zeit sicherlich sprichwörtlich das Genick gebrochen und cyber-Wear und die Cybergroup würde es in dieser Form heute nicht geben. So steckt in der jeder noch so verrückten Idee doch immer auch eine Chance. Und die haben wir ergriffen und konsequent verfolgt.
09) Dossenheim wir kommen
Warum in Gottes Namen Dossenheim? Man muss wissen, für einen stolzen Heidelberger ist das Verlassen der eigenen Stadtgrenzen schon fast Hochverrat. Aber das haben wir vor drei Jahren dann auch komplett über Bord geworfen. Aber auch schon damals forderte das Wachstum mehr Fläche, mehr Platz für Mitarbeiter und endlich ein eigenes Rolltor.
So kam es, dass wir uns nach den ersten Büros in Neuenheim und Wieblingen auf die Suche nach etwas Neuem machten. Wir fuhren wochenlang jedes Wochenende durch alle Industriegebiete der Region, klapperten alle Immobilienmakler in und um Heidelberg herum ab und nervten jeden Bekannten, der es nicht wissen wollte mit dem Thema.
Eines Tages entdeckte ich dann zufällig eine Immobilie in Dossenheim. Auf den ersten und leider auch auf den zweiten und auch dritten Blick viel zu groß. Zu viel Lager, zu viele Stockwerke und zu viel Büroflächen, aber ein Rolltor. Mehr mein großer „Traum“ als Romans. Wir fuhren also mehrmals zu besagtem Gebäude, schlichen drum herum und hofften von Besuch zu Besuch, dass es irgendwie kleiner werden würde und damit auch passend für unsere Zwecke. Dem war nicht so, aber wir überwanden uns und riefen die Eigentümer an und vereinbarten einen ersten Termin.
Es war wie im Schlaraffenland und einfach unvorstellbar, dass das irgendwann einmal passen könnte. Die Eigentümer und Vermieter waren ein älteres, rüstiges Ehepaar aus Dossenheim. Beide von der Sorte Opa und Oma, die man sich immer gewünscht hätte, wenn man nicht selber schon tolle Großeltern gehabt hätte. Der erste Termin war eher nüchtern und sachlich. Im Nachgang erfuhren wir auch warum. Die Eigentümer waren schlichtweg der Übereinkunft, dass wir uns das alles eh nicht leisten könnten. Wir rechneten vor und zurück, wir kalkulierten, stellten Szenarien auf und verwarfen diese wieder. Egal wie wir es rechneten, es ergab keinen Sinn. Aber, die Immobilie ließ uns nicht los und wir machten einen zweiten Termin.
Zu dieser Zeit war der langjährige Mieter noch immer im Gebäude und wir kamen auch mit ihm ins Gespräch. Es stellte sich heraus, dass er und damit auch sein Unternehmen in den Ruhestand gingen und er das Unternehmen langsam liquidieren wollte. Und hier wurde auf einmal ein Schuh aus dem Ganzen. Der alte Mieter konnte langsam aus dem Gebäude rauswachsen und wir konnten langsam hineinwachsen, nicht wissender Weise, was wir jemals mit so viel Platz machen sollten. Wir informierten die Eigentümer und baten um ein weiteres Gespräch. Dieses fand dann auch statt, jedoch erweitert um die komplette Familie der Eigentümer. Sie hatten ihre Kinder gebeten, sich die beiden Jungspunde mit zu begutachten und sich ihre Meinung zu bilden, sodass im Zweifel der Familienrat mit entscheiden konnte. Der Termin fand statt, der Plan des alten und des potenziell neuen Mieters wurde vorgelegt und der Familienrat beschloss. Man entschied sich für uns. Man vertraute uns. Einmal mehr konnten wir mit dem punkten, was uns schon immer ausmachte und auch heute noch ausmacht. So zu sein wie wir sind.
Wir unterschrieben einen Mietvertrag für die Hälfte der Lagerfläche und erste Teile der Büros und der Einzug begann. Wir übernahmen Regale, Drucker, Meetingraummöbel vom Vormieter. Wir stellten Bauzäune im Lager auf, um seine Ware von unserer zu trennen und wir lebten für ein Jahr in einer Symbiose. Er konnte in Ruhe sein Business beenden und geordnet liquidieren und wir konnten die Chance nutzen zu wachsen und dem ganzen Invest eine wirtschaftliche Daseinsberechtigung zu erarbeiten. Und das taten wir. 24/7 lebten wir in diesem neuen Gebäude und gewannen einen Neukunden nach dem anderen, ein großes Projekt nach dem anderen. Wir spielten Indoorgolf in unserer ersten eigenen Lagerhalle und Fußball. Wir planten unsere ersten Europalettenregale und wir kauften Rollbänder und vieles mehr.
Über 10 Jahre war Dossenheim unser Zuhause, die Zentrale des Wahnsinns, unser Rückzugsort und Fels in der Brandung. Wir sprengten unsere Büroräume mit immer mehr werdenden Mitarbeitern und unser Lager mit immer mehr Lagerware. Wir hatten Monate, wo wir auf den Parkplätzen vor dem Gebäude Zelte und Container aufstellen mussten, um der Massen Herr zu werden. Wir luden unseren Topkunden zum „Koch im Loch“ Dinner ein, bei dem wir in unserer im Keller liegenden „Kantine“, mit Gitterstäben vor dem Fenster und tollem Blick auf das Untere von Autos, ein Menü zauberten und feinstes Essen auf geliehenem Porzellan und gestärkten Tischdecken zubereiteten. Wir feierten Weihnachtsfeiern im Lager, Familien-Grillfeste vor, im und hinter dem Gebäude und wir verbrachten unfassbar viel Zeit an diesem Ort.
Unsere Mieter entpuppten sich als ein tolles Rentnerehepaar, die schlichtweg Angst hatten, uns beiden Greenhorns ihre Immobilie zu vermieten und deswegen den Segen der Kinder haben wollten. Sie sollten es am Ende nie bereut haben. Im Gegenteil! Er war mehr Hausmeister und Opa für uns und sie kochte uns Marmelade und gemeinsam pflegten sie die Außenanlagen und investierten in uns und das Gebäude. Neue Türen, neues Dach, neue Fassade, neues Rolltor und vieles, vieles mehr gönnten sie uns über die lange Zeit hinweg. Und ja, das können wir sicherlich behaupten. Ohne die Familie Fischer wären wir heute nicht da, wo wir sind – ohne das Vertrauen in uns und unser Unternehmen hätten wir nie die Chance bekommen, uns zu entwickeln und das zu werden, was wir heute darstellen. Dafür vielen, vielen Dank Familie Fischer. Auch wenn die Senioren heute leider nicht mehr leben, wir sind unfassbar dankbar, dass wir solch eine tolle Familie kennen und schätzen lernen durften – DANKE!
10) RWE AG – unser erster Fullservice oder Achtung, die Azubis sind los
Fullservice? Was ist das? So ungefähr fühlte ich mich auf dem Rückweg von Dortmund. Aber alles der Reihe nach: es war ein Freitagabend ca. 19:00 Uhr – Roman und ich saßen in seinem Büro. Die Woche war vorbei, die Füße auf Roman’s Schreibtisch, das hart verdiente Feierabend Bier in den Händen und Pizza gerade bestellt. Da klingelte das Telefon. Roman beugte sich vor, brummelte nur 0231 – da geh ich nicht dran und nahm den Hörer doch ab. cyber-Wear Heidelberg GmbH Weiss brummte er in den Hörer und auf der anderen Seite kam ein freundliches „Super, dass ich bei ihnen noch jemanden erreiche. RWE Systems AG hier – guten Abend“.
Wie sich schnell herausstellte, hatte einer unserer Vertriebler, mein ehemaliger Mit-Ausbilder im dualen Studium und nun über Umwege bei uns anheuernd, einen simplen Textilkatalog einmal durch die Republik an alles und jeden versendet und der war hier wohl sogar auch noch auf dem richtigen Schreibtisch gelandet und das zum genau richtigen Zeitpunkt.
Die nette Dame am anderen Ende der Leitung hatte dringenden Bedarf an einfachen weißen T-Shirts mit zweifarbigem Druck. Sie bat Roman, ob wir ihr eventuell am Montag noch ein Angebot erstellen könnten. Roman verneinte dies, kurze Stille, und ergänzte dann noch, dass er ihr den Preis auch direkt am Telefon sagen könnte. Gesagt, getan, er öffnete unsere Excel-Kalkulation, die wir bereits im elterlichen Keller sitzend entwickelt hatten und heute auch noch nutzen und kalkuliert wild los. Wir boten ihr 60 weiße T-Shirts mit Druck an und sie war vollkommen perplex, dass das nun so einfach und schnell und dann auch noch um diese Tageszeit an einem Freitagabend klappte. Sie ergänzte noch, dass die T-Shirts dringend für die Vorstellung des neuen Logos in der kommenden Woche benötigt würden und der Vorstand dahinter wäre und es sehr, sehr wichtig wäre, dass wir das auch schaffen müssten. Wir sagten zu und versprachen, dass bei Bestellung und Vorlage der Logodaten am Montag wir die T-Shirts pünktlich drucken und liefern würden. So sollte es dann auch sein. Wir erhielten die mündliche Zusage und die Logodaten am Montag, wir druckten und fuhren die Ware eigenhändig nach Dortmund.
Alles in time und alles zur Zufriedenheit des Kunden. Mission erfüllt. Von wegen, jetzt ging es erst richtig los. Der Chef unserer Kundin hatte von der ganzen Sache Wind bekommen und lud zum Termin. Also ging ich mit meinem ehemaligen Ausbilder erstmal Anzug, Krawatte und Schuhe kaufen – für ihn, nicht für mich wohl bemerkt und dann ging es nach Dortmund. Zur RWE Systems AG und dem Leiter des Bereiches Marketing Services. Am Empfang wurden wir von der netten Dame vom ersten Telefonat in Empfang genommen und über zig Flure in die Untiefen des Bürogebäudes gebracht. Wir blieben am Ende eines Flures stehen und sie bat uns kurz zu warten. Kurz darauf bat uns die Sekretärin ihres Chefs herein, klopfte eine Türe weiter und es erschallte ein „Herein“. Wir öffneten die Türe und gingen hinein. Damals fühlte sich das magisch und unwirklich an. Es war ein beeindruckendes und gleichermaßen begeisterndes Gefühl.
Unser Mitarbeiter wurde freudig mit den Worten „freut mich Sie kennenzulernen“ begrüßt und es wurde ergänzt „ach wie schön, Sie haben ihren Azubi mitgebracht.“ Ja, damit meinte er mich. Wir waren beide so aufgeregt oder von der ganzen Situation überfordert, dass wir hierauf gar nicht reagierten und uns einfach nur setzten. Wir bekamen Kaffee, Tee, Kekse und legten los. Wir packten Muster aus und tauschten die Visitenkarten aus. Und hier fiel es unserem Gesprächspartner nun wie Schuppen von den Augen. Der Azubi war der Chef. Ein schönes Intro und ein Moment für’s Leben. Unser Gesprächspartner entschuldigte sich und war sichtlich begeistert. Das war der Moment, in dem sich alles für uns verändern sollte. Wir hatten ein tolles Gespräch und wurden noch im Gespräch zur Werbemittel Fullservice Ausschreibung der RWE AG eingeladen. 14 Tochtergesellschaften sollten auf einen Dienstleister konsolidiert werden. Auf die Frage, ob wir das leisten könnten, antwortete ich selbstbewusst – JA. Nicht ahnend und auch nicht wissend, was am Ende ein Fullservice war. Egal, wir beendeten den Termin, die Ausschreibung wurde uns per Fax übermittelt und wir legten los. Aber, zuvor wurde ich noch von Roman, nett aber bestimmt darauf hingewiesen, dass ich sie nicht mehr alle hätte.
Endlose Seiten Thermopapier ratterten durch unser Fax und Thermopapier war damals fast so heilig und teuer wie in den ersten Coronatagen das Toilettenpapier – zumindest für uns. Es war einfach unfassbar teuer. Kaum im Büro angekommen, flogen mir die Beschimpfungen um die Ohren, was ich mir denn dabei gedacht hätte und dass niemals nie jemand so viele Kugelschreiber, Feuerzeuge oder Bonbons bräuchte, wie auf diesen endlosen Seiten vermerkt war. Aller Skepsis zum Trotz setzen wir uns hin und googelten, was das Internet hergab. Prodir – wer oder was war das, BIC Feuerzeuge mit Logo – wo bekommt man sowas her, Lamy – wunderbar – saß genau um die Ecke und sollte nicht das Thema sein. Also fuhren wir zum nächsten REWE, kauften dort ein Dreierpack BIC Feuerzeuge, denn da stand ja auch die Adresse von BIC drauf und auf dem Heimweg hielten wir bei Lamy und fragten uns durch, bis wir den Richtigen gefunden hatten, der uns etwas zu bedruckten Lamy Kugelschreibern sagen konnte. Der Rest ist ein Meilenstein in unserer Firmengeschichte.
Wir gewannen die Ausschreibung, wir bauten einen ersten Onlineshop und wir lieferten. Wir packten alle Bestellungen in Nachtschichten, aber wir packten es – im wahrsten Sinne des Wortes. Es folgten viele, viele Jahre der vertrauensvollen Zusammenarbeit, geprägt von tiefstem Respekt und nach und nach auch tiefstem Vertrauen. Wir durften viel lernen und wir duften Fehler machen. Wir durften Fehler bereinigen und wir durften lernen, was Charakter und Führungsstärke bedeutet. Wir durften erfahren, was wahre Stärke bedeutet und wie man bei allem Druck und Wettbewerb vor allem eines bleibt: Mensch. Dieser Mensch hat uns über Jahre hinweg gelehrt und uns zu dem gemacht, was wir heute als Unternehmer sind. Dieser Mensch war Ziehvater und wurde, nachdem die Zusammenarbeit mit der RWE endete, ein sehr, sehr guter Freund. Peter – Danke für die Chancen und die Möglichkeiten!
11)
Folgt...
12)
Folgt...
13) Man darf auch mal Fehler machen
Fehler machen wir alle. Der eine mehr, der andere weniger. Aber eines ist wichtig – Fehler machen ist okay, aber zumindest daraus lernen sollte man. Und das haben wir. Auch wir haben in unseren fast 28 Jahren den einen oder anderen „Bock“ geschossen, der uns Gott sei Dank nie zum Verhängnis wurde, wir dennoch einiges an Lehrgeld zahlen mussten. 2006 war so ein Jahr.
Es war ein harter Winter, es schneite über Wochen hinweg und die Natur litt unter den ganzen Schneemassen. Aber nicht nur die Natur, auch Gebäude und die gesamte Infrastruktur war teils hart getroffen. So mussten ganze Hallendächer von den Massen an Schnee befreit werden und dennoch brachen Turn und Lagerhallen unter dem Gewicht zusammen. Im Dezember traf es dann eine ganze Region besonders hart – das Münsterland. Hier brachen unter dem vielen Schnee ganze Strommasten in sich zusammen und die gesamte Region war ohne Strom. Und das kurz vor Weihnachten und mitten im Winter, eine Katastrophe.
Unser damaliger Kunde, die RWE AG und ihre Tochtergesellschaften steckten mittendrin in diesem Drama. Um ein wenig Abhilfe oder Linderung zu schaffen und ein kleines Zeichen zu setzen, wurden wir damit beauftragt, sogenannte Carepakete zu packen, die dann auf Weihnachtsmärkten in der Region an die notleidenden Anwohner verteilt werden sollten. Inhalt waren Kerzen, Obst, uvm. – wir kauften gefühlt alle Großmärkte leer, besorgten Beutel zum Befüllen und letztlich fehlten uns dann noch Kerzen. Da kein Großhändler diese unfassbaren Mengen an Kerzen an Lager hatte, kontaktierten wir unsere letzte Option – IKEA Deutschland. Und siehe da, IKEA hatte tatsächlich noch ausreichend Kerzen und war dann aber auch leergekauft. Kaum hatten wir alle Materialien im Haus, fingen wir an zu kommissionieren. Wir bildeten Packstationen im Lager. In der Mitte gebündelt die Ware, sodass wir mit Beuteln „bewaffnet“ tage- und nächtelang im Kreis rannten und Beutel für Beutel packten. Alles für einen guten Zweck und in der Hoffnung, dass die Carepakete ein wenig Linderung bringen würden. Wir packten bis zur absoluten Erschöpfung, denn für Samstagmorgen war der LKW bestellt, der die Ware auf direktem Wege ins Münsterland fahren würde. Alles war berechnet. Maximale Geschwindigkeit, Lenkzeiten, Pausen – einfach alles, na ja fast alles.
Freitagnacht waren wir dann pünktlich fertig, stellten die Paletten bereit und fielen müde und kaputt ins Bett. Am kommenden Morgen hatte sich Simon bereiterklärt den LKW zu beladen und ihn auf die Reise zu schicken. Gesagt, getan. LKW beladen und winkender Weise vom Hof geschickt. Vereinbart war, dass der LKW bis Mittag einen bestimmten Weihnachtsmarkt anfahren und die Paletten übergeben sollte. So war der Plan. Aber leider hatte der Fahrer, samt Kumpel, einen anderen Plan und die ganze Aktion fiel uns keine 8 Stunden später auf die Füße. Der Fahrer machte, wie wir im Nachgang anhand des GPS-Signals des LKWs erfahren durften, erst noch einen Abstecher nach Hause. Dort erstmal Pause, um dann zumindest in die richtige Richtung aufzubrechen, um dann aber auch recht schnell wieder die nächste Pause einzulegen. Ein umgangssprachliches Schäferstündchen in einem entsprechenden Etablissement direkt an der Autobahn, dass jetzt nicht für den besten Kaffee an der A5 bekannt war. Dort beendet, was auch immer auf der Seele gedrückt hatte, setzte er seine Fahrt fort. Kurzum, der LKW kam nie dort an, wo er ankommen sollte und stand Montagmorgen wieder vor unserem Lager und wir waren einige tausend Kerzen, Äpfel und einen, zu Recht, stinksauren Kunden, „reicher“.
Wie sich im Nachgang herausstellte, war der Fahrer erst an besagtem Weihnachtsmarkt als dieser schon geschlossen hatte und fuhr dann unverrichteter Dinge wieder Richtung Heimat. So wurde aus einer genialen Teamleistung, ein wirtschaftliches Desaster, welches wir nicht beabsichtigten jemals je zu wiederholen. Glück im Unglück war, dass zumindest IKEA seine Kerzen wieder zurücknahm. Aber wie so oft im Leben, wenn’s läuft, dann läuft’s. Denn keine 6 Monate zuvor hatten wir schon ein Großprojekt, welches eher suboptimal verlief. Und das ist noch sehr milde und wohlwollend formuliert.
60.000 blaue Kunststoffbälle für ein Kunstwerk im Ruhrgebiet. Entropie 06/06 – eine dynamische Skulptur im Ruhrgebiet. Eigentlich ein tolles Projekt und eigentlich klasse Teil des Ganzen sein zu dürfen. Völlig unvorbereitet trafen im Juni und Juli 2006 im Ruhrgebiet Menschen auf ein Meer von blauen Bällen. Mitten in der Innenstadt das eine Mal, verborgen in einem Park das andere Mal. Die "Ball-Skulpturen" waren nicht angekündigt und wurden nirgends erklärt. Jeder und jedem stand es frei zu handeln. Dieses Handeln wurde dokumentiert und in einem Fotoband verewigt und die Reaktionen der Menschen aller Altersgruppen wurde festgehalten. Menschen, die auf die vielen tausend blauen Bälle trafen, mit ihnen spielten oder sie mit nach Hause nahmen. Sie alle waren fröhlich und heiter, vergnügt und unbeschwert und hatten viel Spaß an den blauen Kugeln. Aber dahin war es, zumindest für uns, ein weiter Weg. Der Kunde bestellte frühzeitig die Bälle und wir nutzen unsere schon damals weitreichenden Kontakte nach Asien, um die Bälle in China zu beauftragen. Produktionszeit, Lieferzeit, Zoll, ein bisschen Puffer. Alles war bis auf das kleinste Detail geplant und beachtet. Somit konnte eigentlich nichts mehr schiefgehen. Eigentlich! Und dieses eigentlich traf uns wie ein Blitz.
Als wir die Information erhielten, dass die Ware nun per Seefracht unterwegs ist und wir die Papiere in den Händen hielten, wurden wir etwas stutzig. Konnten Anzahl der Container, Anzahl der Bälle und das entsprechende Volumen zusammenpassen? Wir bemühten kurz den Taschenrechner und egal wie wir es drehten, es wollte nicht passen. Also fragten wir beim Lieferanten nach und der teilte uns freudestrahlend mit, dass das schon alles passt, aber nur eben, weil die Bälle alle „flat“, also nicht aufgepumpt, in den Containern verstaut wurden und ganz nebenbei auch so von uns beauftragt wurden. Nun hatten wir ein richtig großes Problem. Wie sollten wir in der Kürze der Zeit 60.000 Bälle aufpumpen und wie viele LKWs würden das dann am Ende werden und was sollte das alles kosten?
Wir fanden eine Lösung, aber auch diese war sehr schmerzhaft und machte aus einem tollen Projekt eine bittere Erfahrung. Wir bekamen Containerweise blaue Bälle. Die waren zudem noch lose in den Containern verstaut, sodass einem, sobald man den Container öffnete, hunderte blaue Bälle entgegenkamen. So auch dem deutschen Zoll, der einen der Container im Hamburger Hafen öffnete und hunderte Bälle im Hafenbecken verschwanden. Es dauerte Tage, ganze Wochen bis wir die 60.000 Bälle aufgepumpt hatten und dann wiederum lose auf LKWs zu den einzelnen Standorten gebracht hatten. Aber auch hier haben wir ganz am Ende geliefert und der Kunde war zufrieden und die Aktion war ein voller Erfolg.